Altwerden im sozial-ökologischen Dorfprojekt Allmende Wulfsdorf
Wir leben nun schon 17 Jahre mit etwa 200 Bewohnern auf unserer schönen Allmende. Das Gelände liegt gefühlt am Stadtrand von Hamburg, gehört aber offiziell zu Schleswig-Holstein. Es ist umgeben von Wäldern, Seen und den Feldern des Demeter-Bauernhofes Gut Wulfsdorf. Der Hofladen und das Hof-Café sind gleich gegenüber.
Als wir vor ca. 20 Jahren mit der Planung dieses Projektes begonnen hatten, war das viel und intensive Arbeit. Ökologisch wollten wir sein, soziale Ziele verfolgen, ideologisch sollte es ansonsten aber nicht festgelegt sein. Es sind 145 Wohn- und Gewerbeeinheiten entstanden, darunter fünf Sozialwohnungen, und da wir schon damals „generationsübergreifend" sein wollten, sind die Älteren von uns mittlerweile über 80 Jahre alt.
Alljährlicher Flohmarkt des Dorfprojektes Allmende
Viele bringen sich ein
Im Allgemeinen sind unsere Oldies sehr aktiv. Sie erledigen die Büroarbeiten, beteiligen sich in der Kulturgruppe, im Dorfrat und anderen Gremien. Einige Male im Jahr pflegen wir in Eigenleistung das ganze Gelände – und es sind vielfach die Älteren, die dabei mit anpacken. Wolfgang, Ü-80, organisiert alle paar Wochen einen Wander- oder Radausflug, dabei werden gerne mal über 30 km abgestrampelt, und die Mehrheit der Älteren ist nicht (!) mit dem E-Bike unterwegs. Wolfgang dazu: „Dass wir hier alle relativ fit sind, liegt eben auch daran, dass hier nicht nur Alte wohnen." Einmal im Monat findet ein von Doris organisiertes „Ü 70"-Treffen in unserem Gemeinschaftshaus statt. Bei Kaffee und Kuchen spricht man darüber, wie es den Einzelnen geht, ob sie etwas brauchen oder plant auch Unternehmungen. Diese Gruppe hat sogar eine eigene Kasse „Solidarität im Alter": Wenn jemand beispielsweise Geld für eine besondere medizinische Behandlung bräuchte. Doris: „Ich gehöre unbedingt hierher und fühle mich hier zu Hause. Allerdings hatte ich mir die gegenseitige Hilfe von Jung und Alt anders vorgestellt. Wir Alten helfen uns gegenseitig, aber die Jungen sind mit Beruf und Familie beschäftigt und haben keine Zeit."
Manche haben ihre ganz eigene Art, sich um Allmende zu kümmern. Karl greift alle Möglichkeiten auf, sich sozial-politisch zu engagieren. Schon seit Jahren setzen er und seine Frau Barbara sich für Geflüchtete ein. Beispielsweise konnte ein Geflüchteter aus Somalia bei uns in Allmende wohnen. Die beiden haben mit viel Geduld, Aufwand und Kosten auch seine restliche Familie nach Deutschland geholt. Mühsam brachte Barbara, ehemals Lehrerin, den Geflüchteten die deutsche Sprache bei, lehrte der schon älteren Tochter sogar Rad fahren.
Karl liebt die Gemeinschaft, aber „langsam lassen die Kräfte nach und der Antrieb für die ständige Auseinandersetzung und das Engagement wird einfach schwächer – leider ist das so."
Hartmut und Holger, beide über 70, sind noch fit und mit viel Kompetenz und Schnelligkeit sind sie immer zur Stelle, wenn es etwas zu reparieren gibt.
Eher zurückgezogen, fast klösterlich lebt Monika (Ü 80) in ihrer Wohnung und ihrem kleinen Garten. Dennoch ist sie mit Allmende sehr verbunden: „Mir scheint, dass über dem Projekt Allmende und Gut Wulfsdorf ein guter Stern steht. Hier möchte ich bleiben bis zum Schluss – bis ich abberufen werde".
Auch Helga, die mit einem Rollator übers Gelände geht und in ihrer Wohnung von einem Pflegedienst betreut wird, fühlt sich hier wohl: „Selbst wenn ich hier nicht viele Kontakte habe, reichen mir die wenigen. Andere Alte wohnen einsam in einem Hochhaus, aber ich sehe hier Menschen, die ich kenne, und ich fühle mich eingebunden."
Auch wenn die meisten Älteren das Leben auf Allmende sehr schätzen, wird es nicht allen Wünschen und Bedürfnissen gerecht. Ilse ist 80 Jahre alt, und krankheitsbedingt kann sie sich nicht gut fortbewegen. „Die Leute hier sind doch sehr individuell, beziehen sich auf ihre Partnerschaft oder Familie. Vor allem am Wochenende und in den Ferien ist es mir hier zu einsam. Gerne würde ich mindestens einmal am Tag eine gemeinsame Mahlzeit mit anderen haben und überhaupt mehr Beziehung und Kontakt."
Ein älteres Ehepaar ist bedingt durch Krankheit in den letzten Monaten in die Lage gekommen, dass beide versorgt werden müssen – und das schaffen sie nicht mehr. „Man kann sich hier einige Wochen gegenseitig unterstützen, vielleicht sogar mal einige Monate", so sagt Doris, die mit ihren 70 Jahren noch zu den Jüngeren gehört, „aber eine Pflege auf Dauer können wir hier nicht leisten". Immer wieder mal ist die Rede von einer „Dorfschwester" oder dass hier noch ein Haus für Alte und Pflegebedürftige gebaut werden sollte.
Meine Einschätzung ist, dass es bestimmte Menschen sind, die in ein Wohnprojekt ziehen. Man weiß, dass man in einer Gemeinschaft lebt, was einerseits anregend, bunt und unterhaltsam ist, andererseits eine ständige Herausforderung, Auseinandersetzung und auch Konflikte bedeutet. Es ist ein permanentes Lernfeld. Wer das will und sich aktiv dazu stellen kann, hat gute Chancen, beweglich und geistig rege zu bleiben.
Christine Pflug
Weitere Informationen finden Sie auf www.allmende-wulfsdorf.de