Sinn - statt Gewinnorientierung
Unter dem Stichwort „Verantwortungseigentum" oder auch „treuhändisches Eigentum" wird seit einigen Jahren diskutiert, wie diese Unternehmer:innen sicherstellen können, dass Gewinne und Unternehmensvermögen der Entwicklung des Unternehmens auch über künftige Generationen hinweg dienen.
Mittelpunkt dieser Überlegungen ist die Verfassung des Eigentums an einem Unternehmen: Während in herkömmlichen Rechtsformen die Eigentümer vollen Zugriff auf Vermögen und Gewinne sowie die Kontrolle haben, sind sie beim Verantwortungseigentum im Hinblick auf das Unternehmensvermögen und die Gewinne Treuhänder – diese bleiben ans Unternehmen gebunden und dienen dem Erhalt und der Entwicklung des Unternehmens („Steward-Ownership"). Diese langfristige Bindung des Kapitals und der Gewinne im Unternehmen wird als „Asset lock" bezeichnet und bedeutet auch, dass der im Unternehmen geschaffene Wert nicht zum persönlichen Nutzen von den EigentümerInnen entnommen werden kann. Soweit das erste Prinzip dieser Form.
Das zweite Prinzip, das beim Verantwortungseigentum verankert wird, stellt die langfristige Selbstbestimmung sicher. So liegen die Stimmrechte stets bei Personen, die mit dem Unternehmen und dessen Mission eng verbunden sind. Die Stimmrechte sind unverkäuflich und werden von Generation zu Generation innerhalb einer „Wertefamilie" bzw. an so genannte „Werte- und Fähigkeitenverwandte" übergeben. Das schließt Familienmitglieder natürlich nicht aus. Aber es gibt keinen Vererbungs-Automatismus. Auf diese Weise ist das Unternehmen davor geschützt, zum Spekulationsgut zu werden.
Damit leistet Verantwortungseigentum einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft. Mittelständler können ihr Unternehmen mit Verantwortungseigentum treuhändisch an die Nachfolgegeneration übergeben, ohne es verkaufen zu müssen. Das ist enorm wichtig in Zeiten immer virulenter werdender Nachfolgeprobleme: Immer weniger Nachfolgen gelingen noch in der Familie, es drohen Ausverkauf und Arbeitsplatzverluste.
Auch ergibt sich – und dies wird wichtiger in Zeiten des Fachkräftemangels – eine klare Signalwirkung für zunehmend werte-sensible Mitarbeitende, die ihre Ideen und ihr Können in einem solchen Unternehmen gesichert sehen. Auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten Wirtschaft, die Mensch und Gesellschaft dient, kann Verantwortungseigentum ein wichtiger Schritt sein.
Imke Mahlmann
Herzlichen Dank für die wertvolle
Unterstützung an Dr. Christoph Bietz,
Leiter Kommunikation, Purpose Stiftung &
Stiftung Verantwortungseigentum
VERANTWORTUNGSEIGENTUM ALS MODELL FÜR ALLE UNTERNEHMENSGRÖSSEN UND -FORMEN
Verantwortungseigentum ermöglicht Start-ups, ihre Purpose-Orientierung rechtlich abzusichern, mittelständischen Unternehmen, wirtschaftlich nachhaltige Strukturen unabhängig von Familienzugehörigkeit zu sichern und Großkonzernen, zukunftsfähige und zum Unternehmen passende und langfristig unabhängige Strukturen aufzubauen. Bisher kann es allerdings nur über juristische Umwege umgesetzt werden, die oft zu teuer und aufwendig sind. Daher fordern mehr als 1.200 Unternehmer:innen eine eigene Rechtsform.
In Deutschland gibt es geschätzt 300 Unternehmen in Verantwortungseigentum, die insgesamt mindestens
1,2 Millionen Mitarbeitende beschäftigen und mehr als 270 Milliarden Euro Umsatz generieren, darunter Bosch, Zeiss, Alnatura, die GLS Bank, Weleda, Ecosia oder Einhorn. Auch international ist das Modell auf dem Vormarsch – mit Pionierunternehmen wie beispielsweise Novo Nordisk (DK), Carlsberg (DK) oder Patagonia (USA).
STIFTUNG VERANTWORTUNGSEIGENTUM
Eine neue Rechtsform Verantwortungseigentum findet Unterstützung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Unternehmer:innen, die langfristig Selbstständigkeit und Zweckorientierung ihres Unternehmens absichern wollen, können dies bisher über Stiftungsstrukturen realisieren – die damit verbundenen Kosten und die hohe Komplexität der Umsetzung sind für viele mittelständische Unternehmen oder junge Start-ups jedoch nicht tragbar. Die „Stiftung Verantwortungseigentum", die 2019 von über 30 UnternehmerInnen gegründet wurde, setzt sich daher für die Schaffung einer eigenständigen neuen Rechtsform, der „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen" (kurz GmbH-gebV) ein, um die Umsetzung einer treuhändischen Eigentumsstruktur bzw. Verantwortungseigentum für kleinere und mittlere Unternehmen zu vereinfachen.
PURPOSE NETZWERK
Seit der Gründung in 2015 unterstützte das Purpose Netzwerk mehr als 100 Unternehmen erfolgreich bei der Umsetzung von Verantwortungseigentum. Neben den Non-Profit-Aktivitäten der Purpose Stiftung durch Bildungsarbeit und Open Content Materialien leisten Purpose Ventures und Purpose Evergreen Capital Finanzierungs- und Beratungsarbeit für Unternehmen in oder auf dem Weg zu Verantwortungseigentum.
VERANTWORTUNGSEIGENTUM IM KOALITIONSVERTRAG
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu bekannt, eine neue Rechtsform Verantwortungseigentum einzuführen: „Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen. (...) Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt." Eine breite Allianz von fast 30 Wirtschaftsverbänden, vom Deutschen Start-up-Verband über den Bundesverband mittelständische Wirtschaft und dem Verband deutsche Unternehmerinnen
bis hin zum Blockchain Verband, fordern ebenfalls die Einführung einer neuen eigenständigen Rechtsform für treuhändisches Unternehmertum.