Nachhaltigkeitsbericht 2022 - Zwischen Taxonomie, Offenlegungsverordnung und Zinswende
Auch wenn wir zu den Nachhaltigkeitspionieren in der deutschen Pensionskassenlandschaft zählen, und wir auf sehr etablierte und umfängliche Prozesse in unserer nachhaltigen Kapitalanlage blicken können, waren wir ganz schön gefordert.
Im Februar letzten Jahres erschütterte uns alle der brutale Einmarsch Russlands in die Ukraine und stellt bis heute viele Gewissheiten in Frage. Auch die Kapitalmärkte sind seitdem extrem unter Druck. Vor allem merken wir es an den stark gestiegenen Zinsen, die uns bei der Neuanlage freuen, aber gleichzeitig zu einem enormen Abschmelzen unserer stillen Reserven und einem Ansteigen der stillen Lasten geführt haben. Dass der Zinsanstieg so schnell und so drastisch kommen würde, hat viele Expert:innen überrascht.
Der Krieg um Energie hat gleichzeitig dazu geführt, dass der Fokus auf die Transformation unserer Wirtschaft hin zu einer dekarbonisierten und resilienten Wirtschaft drastisch geschärft wurde. Wenn man dem Krieg etwas Gutes abgewinnen will, so ist es diese Beschleunigung. Allerdings ist auch klar, dass das bisherige Ambitionsniveau im Hinblick auf das 1,5 Grad Ziel noch nicht ausreicht.
Welche Investitionen haben wir getätigt?
Das steigende Zinsniveau hat es uns in diesem Jahr ermöglicht, einige interessante Green und Social Bonds zu erwerben, deren Rendite deutlich attraktiver war als in den Jahren zuvor. So haben wir beispielsweise Green Bonds von Tennet – zum Ausbau des Stromnetzes -, der ÖBB – der Österreichischen Bundesbahn –, der Deutschen Bahn oder einen Social Bond der NRWBank für sozialen Wohnungsbau gekauft. Des Weiteren haben wir unsere Beteiligungen in vier verschiedenen Fonds im Bereich Wind, Wasser und Solar in Europa ausgebaut. Die Quote am gesamten Kapitalanlagebestand beträgt hier am 30.09.2022 3,2 %.
Im Immobilienbereich sind wir wieder erstmalig in einen geschlossenen Immobilienfonds eingestiegen, der explizit in Freie Schulen, Studierendenwohnheime und bezahlbaren Wohnraum investiert und einen sehr hohen Anspruch an die sozial-ökologische Wirkung der Gelder hat. Es werden jede Woche viele Angebote von Fonds an uns heran getragen, aber dieser sehr junge Fonds von NEXT Generation hat uns inhaltlich sehr überzeugt.
Weitere Details zu allen Investitionen und Verkäufen finden Sie in unserem aktuellen Transparenz- und Investitionsbericht auf der Website: www.hannoversche-kassen.de
Taxonomie und Offenlegungsverordnung
Neben den täglichen, umsichtigen Entscheidungen über die Geldanlage der Versichertengelder nimmt die transparente Darstellung unseres Nachhaltigkeitsansatzes einen immer größer werdenden Raum ein. Die EU-Kommission hat in den letzten Jahren umfangreiche, neue Anforderungen aufgestellt, die sowohl große Unternehmen als auch die Finanzbranche selbst betreffen. Im Rahmen der Taxonomie wurde für sechs verschiedene Umweltziele (von Klimaschutz bis Kreislaufwirtschaft) begonnen, detailliert zu definieren, was eine nachhaltige Geschäftsaktivität ist, sozusagen der Gold-Standard unter den Wirtschaftsbereichen. Unternehmen müssen nun in abgestufter Weise öffentlich angeben, ob ihre Produkte taxonomiefähig sind und ob sie den Ansprüchen der Taxonomie genügen (Taxonomiekonformität). Auf der anderen Seite sind Banken, Fondsgesellschaften und auch Pensionskassen dazu aufgefordert, die Taxonomiequoten in ihren Portfolien und Kreditbüchern zum 01.01.2023 zu veröffentlichen. Eine ganz schöne Kraftanstrengung, die wir nur mit Unterstützung unserer Nachhaltigkeitsrating-Agentur imug leisten können, weil die Datenerhebung nicht trivial ist. Die ersten Ergebnisse machen deutlich, dass vor allen Unternehmen noch ein großes Stück Wegstrecke liegt: So liegen bei unserem Portfolio gerade mal für 58,5 % des Bestandes konkrete Daten vor. Und dennoch ducken wir uns – wie andere Pensionskassen – nicht weg, sondern nehmen die Herausforderung an und werden diese Daten publizieren. Allerdings müssen wir auch deutlich an dieser Stelle sagen: Wir werden erst einmal weiterhin nach unseren umfassenden Nachhaltigkeitskriterien steuern und noch nicht nach der Taxonomie, dazu fehlen noch zu viele Daten. Auch die Kundeninformationsblätter werden in diesem Zusammenhang ausführlicher, ebenso kommen weitere Berichte auf der Website hinzu.
Unsere Kapitalanlage
Im vergangenen Jahr haben wir Fälligkeiten genutzt, um vermehrt in nachhaltige Unternehmen direkt zu investieren; verbunden mit der Erwartung, eine direktere Wirkung als bei Investitionen in Staaten oder Banken zu haben. So haben wir den Anteil der Unternehmensanleihen von 9 % auf 12 % im Vergleich zum Vorjahr erhöhen können. Außerdem hat sich unser internes Nachhaltigkeitsrating aller Anlagen verbessert, insbesondere in der Stufe 1 der Vorreiter von 5,7 % auf 11 %. Hier werden die Investitionen in Green Bonds und Erneuerbare Energien-Projekte erlebbar.
Wechsel im Nachhaltigkeitsrat
Eine wichtige Rolle in unseren Beratungen und strategischen Überlegungen nimmt unser externer Nachhaltigkeitsrat ein. Wir haben uns in diesem Jahr im Frühjahr digital und im Herbst in Präsenz getroffen. Inhaltlich ging es um die Weiterentwicklung des Transparenzberichtes, um die Anpassung unserer Nachhaltigkeitsleitlinie sowie ausführlich um die Nachhaltigkeitskriterien unserer Immobilienbewertung. Zudem haben wir im Frühjahr Thomas Goldfuß verabschiedet, der uns seit Beginn des Nachhaltigkeitsrates im Jahr 2015 mit seiner breiten Fachexpertise als GLS-Banker unterstützt hat. In seine Fußstapfen ist Jan Köpper getreten, Leiter Wirkungstransparenz bei der GLS Bank und mit großer Erfahrung im Thema Nachhaltigkeitsrating. Wir sind sehr froh über diesen geschmeidigen Wechsel und die neue Fachkompetenz, die Jan Köpper in den Beirat einbringt. Ein riesiger Gewinn für uns!
Außerdem sind natürlich Katrin Falbe (Waldorfschule Klein-Machnow), Christoph Dörsch (BdfWS) und Karin Kellner (Architektin und Stadtplanerin) weiter mit an Bord.
Jana Desirée Wunderlich Externer Nachhaltigkeitsrat:
v.l.n.r. Christoph Dörsch, Katrin Falbe, Karin Kellner, Jan Köpper
Engagement und Strategieberatung
Auch wenn die Hannoverschen Kassen „nur" eine mittelgroße Pensionskasse in Deutschland sind, so ist doch unsere Expertise und Erfahrung im Finanzmarkt sehr gefragt. Und wir finden es wichtig, unser Wissen zu teilen und andere auf dem Weg zu ermutigen. So wurde Silke Stremlau, unsere Vorständin, von der Bundesregierung angefragt, im neuen Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung den Vorsitz zu übernehmen. Ein spannendes Amt, mit vielen Herausforderungen und Einflussmöglichkeiten. Das Amt hat auch viele Podcasts, Vorträge und Podiumsdiskussionen mit sich gebracht. Wer einmal reinhören möchte in Themen wie „Chancen der Transformation" findet hier Einiges: https://www.hannoversche-kassen.de/videos/
Auszeichnungen gab es in diesem Jahr auch wieder: Jana Desirée Wunderlich, Leiterin der Kapitalanlage in den Hannoverschen Kassen, wurde mit dem Preis „Forty under Forty" vom Bund institutioneller Investoren e. V. (bii) in der Kategorie Nachhaltigkeit/ESG ausgezeichnet. Das Besondere war neben der herausragenden Fachexpertise und der Ausbildung auch das Alter, da nur Top-Nachwuchskräfte ausgezeichnet wurden, die jünger als 40 sind.
Zudem wurde Silke Stremlau kurz vor Weihnachten die Ehre zuteil, vom ManagerMagazin und Boston Consulting unter die 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft gewählt zu werden, in der Kategorie „Klimainnovatorinnen." Zwei tolle Auszeichnungen für unsere Leitungsfrauen und die Hannoverschen Kassen insgesamt.
Gestärkt mit dieser externen Wertschätzung, herausgefordert durch die multiplen Krisen dieser Zeit und angestachelt, unseren eingeschlagenen Weg Richtung Transformation und Nachhaltigkeit weiter ambitioniert und pragmatisch fortzusetzen, freuen wir uns auf das vor uns liegende Jahr 2023!
Silke Stremlau